Diplomatie und Rücksiedelungen

Die Rückkehr ist oft der größte Wunsch vieler Hexenjagdflüchtlinge. Sie wollen in Frieden mit ihren Kindern und Enkeln ihren Lebensabend verbringen. Die harte Realität ist ihnen jedoch bewusst: Dass sie zu Hause Gefahr laufen, erneut angeklagt oder gelyncht zu werden. Während nicht wenige für Feste und Beerdigungen ihre Herkunftsdörfer besuchen, kehren doch alle nach einiger Zeit wieder zurück, weil sie sich nicht sicher fühlen. Sie haben Angst, erneut angeklagt zu werden, sobald ein Kind krank wird oder jemand stirbt.

Simon Ngota begann mit den Rücksiedelungen vor mehr als 20 Jahren. In dieser Zeit hat er mehr als 500 Frauen sicher in ihre Häuser zurück begleitet. Die folgende Strategie hat sich bewährt und ist Standard für alle weiteren Rücksiedelungen geworden.

1. Aufklärung der rückkehrwilligen Person über den Ablauf des Reintegrationsprozesses. Eine gute Voraussetzung für erfolgreiche Rücksiedelungen sind Besuche durch Verwandte und eigene Besuche des Herkunftortes.

2. Gemeinsamer Erstbesuch des Dorfes zusammen mit der Rückkehrerin, um die Lage und Reaktionen vor Ort abschätzen zu können.

3. Verhandlungen mit den Ältestenräten und Chiefs und den Familienmitgliedern, nach Möglichkeit auch mit den Anklägern. Wenn die Sicherheit der Rückkehrerin gewährleistet ist, erfolgt die Umsiedelung.

4. Der Umzug mit allen Besitztümern bedarf meist eines Pick-up-Trucks. Auszug aus den Ghettos und Heimkehr werden oft gefeiert. Meist kehren die Frauen nicht mehr zu Besuchen in die Ghettos zurück, in denen sie oft jahrelange Freundschaften geschlossen haben. Sie wollen mit dieser schmachvoll empfundenen Vergangenheit nichts mehr zu tun haben.

5. Folgebesuche sind unverzichtbar um das Wohlergehen der Rückkehrerin zu kontrollieren. Auch zeigen die Besuche das Interesse von Außenstehenden an der vormals marginalisierten Person, sie demonstrieren neue Solidarität. Weil Simon Ngota überall in der Northern Region schon Frauen zurückgesiedelt hat, verbindet er meist mehrere Folgebesuche miteinander.

Mitunter werden Rückkehrerinnen erneut angeklagt und kehren nach einiger Zeit zurück in die Ghettos.  Alle Frauen in den Ghettos kennen dieses Risiko und treffen ihre Entscheidung aus eigenem Antrieb und eigenverantwortlich. Niemand wird überredet oder gar gezwungen zu einer Rücksiedelung. Das erste Ziel des Projektes ist es, das Leben in den Asylen sicher und erträglich zu gestalten.

Manche wollen auch gern in einer nahegelegenen Siedlung oder Stadt Fuß fassen, um aus den Ghettos heraus zu kommen. Damit sie für sich selbst Sorge tragen können, gewähren wir diesen eine Anschubfinanzierung für ein Einkommen (meist mit einem kleinen Laden) und einer Hütte. Auch hier leistet das Team Folgebesuche.

Diese Strategie basiert voll und ganz auf der diplomatischen Erfahrung des ghanaischen Teams. Rücksiedelungen sollten nur mit Sprachkenntnissen und exzellentem Wissen über lokale Gebräuche und Machtstrukturen vorgenommen werden. Dennoch halten wir diese Strategie für den vorläufigen Gold-Standard im Umgang mit Rücksiedelungen und für übertragbar auf andere Regionen in Afrika, gerade dort, wo Hexereianklagen auf kurzlebigen Emotionen beruhen und zeitweiliges Exil sowie Rückkehr von Angeklagten schon traditionell verankert ist.

Leider ist dieses Konzept von anderen NGO’s ohne entsprechenden Fachkenntnisse übernommen worden. Die Regierung hat mit viel Pomp das Asyl in Banyasi geschlossen und behauptet, die Flüchtlinge dort seien erfolgreich reintegriert worden. Wir fanden zwei von ihnen später in einem anderen Asyl in Tindang.

Diese Aktion hat für viel Misstrauen und Angst in den Asylen gesorgt. Die Regierung spricht von hunderten von Rücksiedelungen – solche Zahlen entbehren jeder Realität in den Asylen. Jede Rücksiedelung braucht Zeit, Geld und viel Fachkompetenz.

 

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